Die Revolution von 1848/49 in München

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Am Samstag, den 18. März, findet im EineWeltHaus München eine Veranstaltung zur Revolution 1848/49 mit der Band "Die Ruam" statt. Zur Einstimmung ein kleiner geschichtlicher Abriss zur Revolution in München.
 

Die altbayerischen Bezirke Oberpfalz, Ober- und Niederbayern wurden 1848/49 von den politischen und sozialen Spannungen nicht so erfasst wie die neubayerischen Bezirke Schwaben, Pfalz sowie Ober-, Mittel- und Unterfranken. Ausnahme in Altbayern war allerdings München, in dem sich im Frühjahr 1848 rasch eine politische Öffentlichkeit ausbildete inklusive eines regen politischen Vereinswesens. Ebenso gab es eine vielfältige politische Zeitungslandschaft, Volksversammlungen fanden statt, Flugblätter wurden in Umlauf gebracht, Maueranschläge gemacht.
 
Vormärz
 
1848 war politisch einiges los in der Stadt, die im Vormärz, der Zeit vor der Märzrevolution von 1848, eher ein beschauliches Bild bot. So beschrieb der Historiker Ralf Zerback das München in der ersten Hälfte des 19 Jahrhunderts als
 
eine Welt der Schützengesellschaften und Zünfte, der Wirtshäuser und Residenzbäcker, der Königsfeiern und Bürgerfeste, der Griechenbegeisterung und des Bayernpatriotismus, der biedermeierlichen Behäbigkeit und des behaglichen Lebensgenusses, (...).
 
Das sollte sich 1848 ändern als die Revolution aus Frankreich kommend auch München und das Königreich Bayern erschütterte. Doch zunächst zur Vorgeschichte, zum Vormärz.
Nach dem Ende der napoleonischen Kriege ging es 1815 auf dem Wiener Kongress um die Neuordnung Europas und Deutschlands. Zur Gründung eines deutschen Nationalstaats mit einer gewählten Volksvertretung, wie manch einer der Zeitgenossen hoffte, sollte es dort nicht kommen. Das lag nicht im Interesse der europäischen Großmächte und auch nicht der deutschen Mittelstaaten wie Bayern, Württemberg oder Baden. Es entstand der Deutsche Bund, der laut Bundesakte ein
 
„Bündnis souveräner Fürsten und der freien Städte Deutschlands“
 
war.
 
Dem Bund gehörten 38, später 41 Staaten an, darunter die Großmächte Österreich und Preußen. Zweck des Zusammenschlusses war laut Bundesakte
 
„die Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit der einzelnen deutschen Staaten“.
 
Der Deutsche Bund besaß keine Organisationsstrukturen, einziges Organ war die Bundesversammlung, ein ständig tagender Gesandtenkongress.
 
„Aufschlussreicher als die Organbeschreibung ist eine Negativliste. Der Bund hatte kein Oberhaupt, keine Regierung, keine Verwaltungsbehörden, keine Gerichte und keine Volksvertretung,“
 
schreibt der Verfassungsrechtler Dieter Grimm. Die Hoffnungen der liberalen und nationalen Bewegung richteten sich daher auf die Einzelstaaten, hieß es doch in Art. 13 der Bundesakte
 
„In allen Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung stattfinden.“
 
In den nächsten fünf Jahren gaben sich 28 Bundesstaaten eine Verfassung. Verfassungen mit gewählter Volksvertretung und Grundrechten gab es jedoch nur wenige, darunter Württemberg, Baden, Hessen-Darmstadt und auch Bayern.
Die beiden konservativen Großmächte im Deutschen Bund, Österreich und Preußen, zeigten sich wenig erfreut, garantierte die bayerische Verfassung von 1818 doch gewisse bürgerliche Freiheits- und Gleichheitsrechte und ein Parlament mit Zwei-Kammern: die Ständeversammlung.
 
§ 2. Ohne den Beyrath und die Zustimmung der Stände des Königreichs kann kein allgemeines neues Gesetz, welches die Freyheit der Person oder das Eigenthum des Staats-Angehörigen betrifft, erlassen, noch ein schon bestehendes abgeändert (…) oder aufgehoben werden.
§ 3. Der König erholt die Zustimmung der Stände zur Erhebung aller directen Steuern, so wie zur Erhebung neuer indirecten Auflagen, oder zu der Erhöhung oder Veränderung der bestehenden.
heißt es in „Titel VII „Von dem Wirkungskreise der Stände-Versammlung“. Allerdings steht dort auch:
§ 23. Dem Könige steht jederzeit das Recht zu, die Sitzungen der Stände zu verlängern, sie zu vertagen oder die ganze Versammlung aufzulösen.
§ 30. Der König allein sanctionirt die Gesetze und erläßt dieselben mit seiner Unterschrift

 
Zudem ernannte und entließ der König allein die Minister und war Oberbefehlshaber des Heeres. Auch hatten nur 1,2 Prozent der bayerischen Bevölkerung das passive Wahlrecht, 6 % das aktive. Von einem allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht oder gar von demokratischen Verhältnissen, konnte also noch keine Rede sein. Trotzdem war die Verfassung von 1818 für die damalige Zeit ein wichtiger Schritt hin zu einem modernen Rechts- und Verfassungsstaat.
 
Schon bald erwogen Regierung und König die Verfassung wieder zurückzunehmen, denn die Abgeordneten gaben sich mit dem Erreichten nicht zufrieden und forderten unter anderem das Recht auf Gesetzesinitiative und die Vereidigung des Heeres auf die Verfassung und nicht auf den König. Zudem war das öffentliche Interesse an den Debatten in der Ständeversammlung enorm, wurde von der Presse ausführlich kommentiert und in der Bevölkerung breit diskutiert. Nicht viel anders verhielt es sich in weiteren Staaten des Deutschen Bundes.
 
Auf Betreiben des österreichischen Staatskanzlers Metternich wurden 1819 die „Karlsbader Beschlüsse“ verabschiedet, die im gesamten Bundesgebiet die Pressefreiheit einschränkten, studentische Burschenschaften verboten, Vereine und Universitäten überwachten und gängelten.
 
1832 traf sich die liberale und nationale Bewegung zum Hambacher Fest in der bayerischen Rheinpfalz - der dort aktive „Deutsche Press- und Vaterlandsverein“ hatte dazu aufgerufen. Bis zu 30.000 Menschen waren gekommen, viele forderten Volkssouveränität und Demokratie. Metternich schrieb daraufhin dem preußischen Minister Wittgenstein:
 
„Mit Volksrepräsentationen im modernen Sinne, mit der Pressefreiheit und politischen Vereinen muss jeder Staat zugrunde gehen, der monarchische wie die Republik. Nur Anarchie ist möglich; dagegen mögen die Gelehrten am Schreibtische protestieren, so viel sie auch immer wollen. Am Ende der Gelehrsamkeit steht das Zuschlagen, und kommt es einmal hierzu, so ist der, der in geschlossenen Reihen zuschlägt, der Gelehrteste.Wir werden in Deutschland zum Zuschlagen kommen.“
 
Das Hambacher Fest war für Metternich ein willkommener Anlass den Deutschen Bund erneut auf einen repressiven Kurs festzulegen. Am 5. Juli 1832 beschloss die Bundesversammlung zehn Artikel „zur Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ruhe und Ordnung im Deutschen Bund“.
 
„Alle Vereine, welche politische Zwecke haben, oder unter anderm Namen zu politischen Zwecken benutzt werden, sind in sämmtlichen Bundesstaaten zu verbieten und ist gegen deren Urheber und die Theilnehmer an denselben mit angemessener Strafe vorzuschreiten.
Außerordentliche Volksversammlungen und Volksfeste, nämlich solche, welche bisher hinsichtlich der Zeit und des Ortes weder üblich noch gestattet waren, dürfen, unter welchem Namen und zu welchem Zwecke es auch immer sey, in keinem Bundesstaate, ohne vorausgegangene Genehmigung der competenten Behörde, stattfinden.“

 
Darüber hinaus wurde die Pressefreiheit eingeschränkt, die Universitäten verstärkt überwacht und eine enge Zusammenarbeit der Staaten des Bundes vereinbart mit dem Ziel jegliche politische Betätigung zu überwachen und gegebenenfalls zu unterdrücken.
 
Bis 1848 schaffte es Metternich damit, die demokratische, liberale und nationale Bewegung in ganz Deutschland im Zaum zu halten, die einen geeinten Staat mit einem nationalen Parlament und Bürgerrechte einforderte.
 
Revolution 1848/49 in München
 
Wie schon 1789 und 1830 war es Frankreich, von dem der revolutionäre Funke 1848 auf Europa übersprang. Auf die Nachricht hin vom Sturz des französischen Königs Louis-Philippe im Februar 1848 forderten Liberale und Demokraten Wahlen zu einem nationalen Parlament, die Aufhebung der Pressezensur und des Versammlungsverbots, eine Reform des Justizwesens sowie die Verantwortlichkeit der Regierung vor dem Parlament. In einigen Städten, z.B. in Wien, Leipzig oder Berlin kam es zu heftigen Auseinandersetzungen bis hin zu Barrikadenkämpfen. Letztlich mussten die Monarchen überall nachgeben und zunächst weitgehende Zugeständnisse machen. Schon am 18. Mai 1848 trat in der Frankfurter Paulskirche die verfassungsgebende Nationalversammlung zusammen, mit dem Ziel einen deutschen Nationalstaat zu gründen.
 
In Bayern hatte es schon zu Beginn des Jahres 1848, vielerorts Unruhen und Proteste gegeben. Missernten im Vorjahr führten zu hohen Lebensmittelpreisen, gleichzeitig sanken die Löhne. Und dann war da noch die Affäre um Lola Montez. Die Geliebte Ludwig I. stand wegen ihres kostspieligen Lebenswandels und ihres Einflusses auf die Regierungsgeschäfte in der Kritik. Im Februar 1848 sah sich der König auf die anhaltenden Proteste hin gezwungen, Lola Montez des Landes zu verweisen.
 
In dieser eh schon prekären Situation erreichte Bayern die Nachricht von der Revolution in Frankreich. Am 3. März unterschrieben tausende Bürger im Münchner Rathaus eine Petition mit der Forderung nach weiteren Reformen und Freiheitsrechten. Am 4. März stürmten Demonstranten das Zeughaus in München und bewaffneten sich. Am 6. März veröffentlichte der König die sog. „Märzproklamation“.
 
Ich habe mich entschlossen die Stände meines Reiches um Mich zu versammeln; dieselben sind auf den 16. d. Mts. in die Hauptstadt berufen. Die Wünsche Meines Volkes haben in Meinem Herzen jederzeit vollen Wiederhall gefunden. An die Stände des Reiches werden ungesäumt Gesetz-Vorlagen gelangen, unter anderen:
über die verfassungsmässige Verantwortlichkeit der Minister;
über vollständige Preßfreiheit;
über Verbesserung der Stände-Wahl-Ordnung;
über Einführung der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit in die Rechtspflege mit Schwur-Gerichten;
ebenso befehle Ich die unverzügliche Beeidigung Meines Heeres auf die Verfassung, und lasse Ich von heute an die Censur über äussere wie innere Angelegenheiten ausser Anwendung treten.

 
Vieles, wofür im Vormärz gekämpft worden war, wurde zugestanden. Am 19. März 1848 gab Ludwig I. seine Abdankung bekannt. Nachfolger wurde Max II.. Die meisten in der Märzproklamation versprochenen Reformen wurden auf der Ständeversammlung, die nun Landtag hieß, von März bis Mai 1848 auch verabschiedet. Damit hatte der sogenannte Reformlandtag von 1848 die Lage in Bayern zwar zunächst entspannt, die Gesellschaft jedoch begann sich zu politisieren und öffentlich zu positionieren.
 
Damit einhergehend blühte das Zeitungswesen auf. Politisch von links nach rechts gab es in München:

den „Gradaus!! Volksblatt für unumschränkte Freiheit und Volkswohl“, den „Vorwärts“, das „Münchener Tagblatt“, die „Deutsche Constitutionelle Zeitung“, die „Neuesten Nachrichten aus dem Gebiete der Politik“, die „Neue Münchener Zeitung“, und den „Volksboten für den Bürger und Landmann“.
 
Der neue König Max II. zeigte sich der Öffentlichkeit zunächst als liberaler und national gesinnter deutscher Fürst, indem er vor dem Landtag bekundete:
 
„Ich bin stolz, Mich einen constitutionellen König zu nennen. (...) Unser Wahlspruch sei: Freiheit und Gesetzmäßigkeit!“
 
Am 30. März sprach er zudem eine Amnestie

„für die wegen politischen Verbrechen und Vergehen Verurtheilten“
 
aus.
 
Auf diese Weise versuchte der neue König, das durch die Revolution und seines Vaters Affären ins Wanken geratene bayerische Königtum zu stabilisieren - zum Leidwesen des Demokraten Gustav Diezel:

Der Thronwechsel in Baiern brachte dem Königthum unermeßlichen Vorteil. Wäre Ludwig König geblieben, die Aufregung in München hätte nothwendig fortgedauert und die Bildung einer republikanischen Partei sehr erleichtert.
 
Jedoch blieb Max II. wie sein Vater ein strikter Vertreter des monarchischen Prinzips und bayerischer Eigenstaatlichkeit. Was der König wirklich von der Tätigkeit des „Reformlandtags“ im Frühjahr 1848 dachte, vermittelt ein Auszug aus seinen Memoiren:
 
Die wichtigsten Bollwerke der Monarchie waren gefallen: Das Prinzip der Wahl nach Kopfzahl bestimmt, nicht nach Ständen, ohne Census, weder die Garantie eingefaßt, daß der vorzugsweise konservative Theil der Bevölkerung zur Kammervertretung gelange. Durch die Preßfreiheit war allen Umsturztendenzen das Thor geöffnet, desgleichen durch das zugestandene, ausgedehnte Vereinswesen. (...) Durch die Ministerverantwortlichkeit, wie sie gefaßt, war der Minister mehr der Demokratie als dem Könige verantwortlich, und von derselben abhängig. In Folge der Aburtheilung der politischen Vergehen und Verbrechen durch Geschworene ist die Regierung des Rechtsschutzes beraubt. Durch die Vereidigung des Heeres auf die Verfassung, muß es dem Monarchen, seinem obersten Kriegsherrn entfremdet, in seinen Pflichten irre werden (...). Durch diese Gesetze wurde die monarchische Staatsleitung schutzlos der Demokratie preisgegeben.
 
Die Märzproklamation des Königs ließ die Vereinigungsfreiheit unerwähnt, jedoch hatte sich die Bevölkerung seit Beginn der Revolution das Recht, sich ohne Genehmigung zu versammeln und politische Vereine zu bilden, ohnehin einfach genommen.
 
Wie überall organisierten sich auch in München fünf politische Richtungen. Es entstanden die Vereine der Demokraten, der Arbeiter, der Liberalen, der Konservativen und der politischen Katholiken. Sie gestalteten die politische Willensbildung der Öffentlichkeit in hohem Maße mit. Jeder Verein gab sich ein Organisationsstatut, vertrat politische Ziele, trat an die Öffentlichkeit, beteiligte sich an Wahlen und strebte nach politischen Einfluss. Auch dem Aufbau von weiträumigen politischen Organisationen konnte sich in München auf Dauer keine politische Richtung entziehen.
Die Themen, über die heftig gestritten wurde, waren z.B. ob Deutschland eine Republik, eine Wahl- oder eine Erbmonarchie werden, ob der männlichen Bevölkerung das allgemeine und gleiche Wahlrecht gewährt werden soll oder nur ein Zensuswahlrecht, ob der neu zu gründende deutsche Nationalstaat Österreich mit einschließt – die sogenannte großdeutsche Lösung - oder ob man sich für die kleindeutsche Lösung mit Preußen entschließt. Debattiert darüber wurde in ganz Deutschland und die politischen Vereine und ihre Versammlungen waren die Orte, wo die Diskussionen stattfanden – auch in München.
 
Der „Konstitutionell-monarchische Verein für Freiheit und Gesetzmäßigkeit“ gründete sich am 2. April 1848. „Für Freiheit und Gesetzmäßigkeit“ lautete auch der Wahlspruch des Königs.
 
Der „Verein für konstitutionelle Monarchie und religiöse Freiheit“ entstand im Mai 1848 als Vertretung des politischen Katholizismus in Altbayern. An der Spitze standen meist Geistliche, so dass sich die Vereine auf die kirchlichen Strukturen stützen konnten.
 
Schon im Frühjahr und Sommer 1848 wurden die regelmäßigen Volksversammlungen in der Vorstadt Au, an denen vor allem Handwerksgesellen und Arbeiter teilnahmen, von den Staatsbehörden, dem Magistrat und der Bürgerschaft der Au besorgt beobachtet. Aus dem Umfeld dieser Versammlungen entstanden zwei demokratische Vereine. Im Juli 1848 bildete sich der „Verein für Volksrechte“ und Anfang September 1848 der „Demokratische Verein“, noch im gleichen Monat schlossen sich beide unter dem Namen des letzteren zusammen. Der wichtigste Programmpunkt des Demokratischen Vereins lautete:
 
Die Grundlage des Rechtsstaates ist die Volkssouveränität.
 
Ziel des Arbeiterbildungsvereins, der am 8. Juli 1848 seine erste Versammlung abhielt, war es,
 
die allgemeine moralische, politische Bildung des Arbeiters zu erstreben und die Arbeiter mit allen gesetzlichen Mitteln in den Vollgenuß aller staatsbürgerlichen Rechte zu bringen.
 
Am 22. Dezember 1848 konstituierte sich der Münchner Märzverein. Demokratischer Verein und Arbeiterbildungsverein sowie viele Studenten schlossen sich an. Der Zentralverein für Bayern hatte nach eigenen Angaben 176 Filialvereine. In den Grenzen des Deutschen Bundes waren es ca. 950 Vereine.
 
In der Landtagswahl Ende 1848 wurden in München unterstützt vom Konstitutionell-monarchischen Verein“ und dem „Verein für konstitutionelle Monarchie und religiöse Freiheit“ ausschließlich konservative Abgeordnete gewählt. Dieses Bündnis fand Unterstützung bei den Kirchen, der konservativen Öffentlichkeit, der hohen Beamtenschaft, bei Handwerkern und Händlern.

In ganz Bayern aber siegte die demokratische Linke – übrigens zum einzigen Mal in der Geschichte Bayerns bis heute. Und das obwohl, das neue Landtagswahlgesetz vom 4. Juni 1848 festlegte, dass die Wahl indirekt und öffentlich ist und wahlberechtigt nur jeder volljährige Mann, der das bayerische Staatsbürgerrecht besaß (Grundbesitzer, Gewerbetreibender, Beamter) oder eine direkte Steuer zahlte. Damit blieben ca. 20 Prozent der männlichen Bevölkerung, z.B. Studenten und Rechtspraktikanten wie auch viele Arbeiter und Gesellen, die potentiell eher dem demokratischen Spektrum zugehörig waren, ausgeschlossen.
 
Politische Repression
 
Das politische Vereinswesen blühte auf, aber auch die politische Polizei nahm schon bald wieder ihre Arbeit auf. Am 6. März ordnete das Innenministerium an, über
 
die allgemeine Stimmung und Haltung des Volkes in den größeren und kleinen Städten sowohl als auch auf dem flachen Land fortwährend die genauesten Erkundungen einzuziehen, (...).
Gendarmen in Zivil sollten dazu in Wirtshäusern und Versammlungen spionieren.

 
Anfang März 1848 gelang es verkleideten Polizeimitarbeitern, die sich unter die Bevölkerung mischten, sieben „Tumultanten“ festzunehmen. Und am 6. April 1848 verlangte der Münchner Polizeidirektor von der Regierung 500 Gulden zur Bezahlung von Spitzeln. In der Öffentlichkeit dagegen trat er Anschuldigungen entgegen, ein „polizeiliches Spioniersystem“ in München aufgebaut zu haben.
 
Der neue liberal-konservative Innenminister Gottlieb von Thon-Dittmer wies die Behörden an,
 
Vereine angemessen zu überwachen und mit allen gesetzlich zulässigen Maaßnahmen der Bildung und Ausbreitung von Verbindungen zu gesetzwidrigen Zwecken kräftigst entgegenzutreten.“Welche Vereine aber vertraten in den Augen des Innenministers „gesetzwidrige Zwecke“?
 
Ihm ging es darum, wie er schreibt,
 
dem Wühler-Treiben entgegenzutreten (und) keiner Reaction Raum zu geben.
 
Die „Wühler“ waren die demokratische und republikanische Bewegung, aber Thon-Dittmer wandte sich als liberal-konservativer Minister zunächst auch gegen restaurative und reaktionäre Tendenzen.
 
Die erste aufsehenerregende Veranstaltung der Demokraten in München war die mehrere tausend Teilnehmer umfassende Volksversammlung vom 17. September 1848 in Neuberghausen (heute ein Teil von Bogenhausen). Dort sprachen sich die Redner in vier „Manifesten“, welche in einem Extrablatt des „Vorwärts“ veröffentlicht wurden, unter anderem für die offene Anerkennung der Provisorischen Zentralgewalt und der Nationalversammlung in Frankfurt durch Bayern aus sowie für die Aufhebung der bayerischen Verordnung „Bildung von Vereinen zu gesetzwidrigen Zwecken“ vom 12. August 1848. Das vierte Manifest betrachtete gar die bayerische Verfassung aufgrund der Einsetzung einer Zentralgewalt als nicht mehr bestehend. Da man die Beschlüsse der Nationalversammlung abwarten müsse, stehe man zur Zeit nicht auf dem „Boden des Gesetzes“, sondern auf dem „Standpunkte der That“.
 
Auf die Regierung und Max II. mussten die Beschlüsse wie eine Kriegserklärung wirken. Am 27. September ließ der Innenminister die Leiter des demokratischen Vereins verhaften und Hausdurchsuchungen durchführen. Außerdem wurde der Redakteur des „Vorwärts“ und Mitglied des demokratischen Vereins eines „Preßvergehens“ beschuldigt und ebenfalls verhaftet. Der König war zufrieden.
 
Mit dem Verfügten bin ich vollkommen einverstanden, es freut mich ghern, Mein lieber Herr Staatsminister, Meine Zufriedenheit und Anerkennung mit der hier entwickelten Kraft und Klugheit ausschmücken zu können.
 
Da den Verhafteten jedoch keinerlei umstürzlerischen Absichten nachgewiesen werden konnten, wurden sie nach nur vier Tagen Haft freigelassen und von einer großen Menschenmenge samt Sängervereinen empfangen und mit einem Fackelzug geehrt. Die liberale und demokratische Presse stand geschlossen auf Seite der Verhafteten und brandmarkte das Vorgehen als reaktionär. Die Regierung musste erkennen, dass eine politische Öffentlichkeit enormen Druck ausüben konnte und polizeiliche Willkürmaßnahmen wie im Vormärz nicht mehr ohne Schwierigkeiten durchzuführen waren.
 
Am 22. Oktober 1848 zog das Innenministerium über das demokratische Vereinswesen in Bayern Bilanz:
 
Es ist sogar mit Bestimmtheit anzunehmen, daß die Vereine der Demokraten nur Werkzeuge einer Parthei sind, die, wie dieß die Einheit und Planmäßigkeit ihrer Strategie und Taktik in verschiedenen Ländern bewirkt, einer centralen Leitung folgen muß. Gewiß ist ferner noch, daß wenigstens in Bayern, wohl aus Klugheit der geheimen Lenker, die demokratischen Vereine eine andere Richtung angenommen haben. Nicht mehr gewaltthätiger Umsturz, sondern nur Bearbeitung und Umstimmung der öffentlichen Meinung in gesetzlich nicht zu behindernde Wege durch Verbreitung liberaler und radikaler Ideen scheint ihr gegenwärtiges Losungswort zu seyn. Nicht, daß sich die große Zahl der Mitglieder dieser Verbindungen eines solchen Plans bewußt wäre, sie sind nur blinde Werkzeuge, die ohne entschiedene und klar eigene Meinung einem, ihnen unbekannten Impulse folgen. (...) In Bayern ist eine strafrechtliche Einschreitung gegen diese Umtriebe in Folge der bestehenden Gesetzgebung vollständig gelähmt.
 

Obwohl der Ende des Jahres 1848 neu gewählte bayerische Landtag sich für die Einführung der Grundrechte, für ein parlamentarisches Regierungssystem und für die Annahme der Beschlüsse der Frankfurter Nationalversammlung aussprach, lehnte die bayerische Regierung die Reichsverfassung am 23. April 1849 ab. Eine Mehrheit der Abgeordneten in der Paulskirche hatte sich zuvor für die sog. kleindeutsche Lösung ohne Österreich ausgesprochen. Deutscher Kaiser sollte der preußische König in einer Parlamentarischen Monarchie mit allgemeinen und gleichen Wahlrecht werden. Aber Friedrich-Wilhelm IV. wollte nicht, die ausgeschlossene Großmacht Österreich war sowieso dagegen, Bayern schloss sich ihnen an.
 
Daraufhin erstellte der Münchner Märzverein eine Adresse (Petition) an die deutsche Nationalversammlung mit der Forderung nach sofortiger Einführung der Reichsverfassung. In wenigen Wochen trugen sich 11.000 Personen in die Unterschriftenlisten ein. Diese und weitere Aktionen verpufften wirkungslos. Dazu kam die Niederschlagung der Aufstände in Sachsen, Westfalen, der bayerischen Pfalz und Baden durch preußische Truppen bis Ende Juli 1849. Resignation machte sich breit, Märzverein und demokratischer Verein waren bald nicht mehr aktiv und der „Vorwärts“ sowie die „Deutsche Constitutionelle Zeitung“ stellten ihr Erscheinen ein,. Allein der „Gradaus!!“ bestand bis 1851.
 
Die Revolution war besiegt. Die Gegenrevolution folgte auf dem Fuß. Max II. beauftragte am 17. Juni 1849 den neuen Innenminister Theodor von Zwehl, für die kommenden Landtagswahlen Sorge zu tragen,
 
daß bei der Einteilung der Wahlbezirke „dem Gewicht der Landbevölkerung (...) Rechnung getragen“ werde, als Wahlorte nur in Frage kämen, wo der „Demokratismus“ nicht vorherrsche, man nur sorgfältig ausgewählte Wahlkommissare verwende und keine zu ausgedehnten Wahlbezirke bilde, da solche die Demokraten begünstige.
 

Der König befahl überdies, einige namentlich genannte Personen sowie

diese und derley Leute (so ferne nicht strafrichterliche Einschreitung bedingt erscheint) namentlich zur Zeit der Wahlen überwachen zu lassen, und frisch zuzugreifen, wenn solche Bösewichte auf der That des Aufregens, Verführens und Umwühlens befunden werden.
 
Die Regierung wandte sich in einem Schreiben an alle Bischöfe mit der Bitte, die Gläubigen vor der Wahl im Sinne der Regierungspolitik zu beeinflussen. Man förderte regierungsfreundliche Zeitungen durch Abonnements und Anzeigen. Und Max II. erließ einen Aufruf, der die Wähler aufforderte,
 
Männer zu wählen, „die das Gefühl der Ehre und Pflicht mit treuer Vaterlandsliebe wie mit aufrichtiger Anhänglichkeit an das konstitutionell-monarchische System verbinden, (....)
 
Überdies begab sich der König mit seiner Frau in den Wochen vor der Wahl auf drei Rundreisen durch Bayern, in denen er alle großen Städte besuchte. Der König machte Wahlkampf.
 
In München standen sich zwei politische Gruppen gegenüber. Auf der einen Seite der im Mai 1849 gegründete „Großdeutsche Verein“, der „Konstitutionell-monarchische Verein“, der „Verein für konstitutionelle Monarchie und religiöse Freiheit“ und der „Gewerbeverein“. Diese Gruppe unterstützte den Regierungskurs. Auf der anderen Seite stand eine kurzlebige Neugründung, der „Wahlverein“, der am 13. Juli 1849 sein Programm, in dem er für die Reichsverfassung eintrat, bekanntgab. In München gewählt wurden schließlich mit großer Mehrheit die Kandidaten des konservativen Lagers. Regierungspräsident Benning hob ihre Verdienste für die Monarchie hervor:
 
Wie thätig und erfolgreich die (…) Vereine nicht nur in München sondern auch auswärts gewirkt haben, und wie namentlich ihrem festen und gewandten Auftreten die beruhigende Haltung der Bevölkerung größthenteils zuzuschreiben ist, bedarf keiner weiteren Ausführung, die letzten Landtagswahlen gaben von ihrer Thätigkeit und ihrem Einflusse den sprechendsten Beweis.
 
Bald aber sollte die Reaktion auch die konservativen und regierungsnahen Vereine treffen. Am 27. Februar 1850 beschloss der bayerische Landtag ein bayerisches Versammlungs- und Vereinsgesetz. Darin heißt es:
 
Politischen Vereinen ist nicht gestattet, mit anderen in der Art in Verbindung zu treten, daß entweder die einen den Beschlüssen und Organen des anderen unterworfen oder mehrere solche Vereine unter einem gemeinsamen Organe zu einem gegliederten Ganzen vereinigt werden.
 
Außenminister Pfordten sah in dem sog. Affiliationsverbot das beste Mittel, gegen politische Vereine vorzugehen:
 
Die vorliegende Bestimmung beziele die Verhinderung der Ausbreitung eines Netzes politischer Vereine über das ganze Land, ein Zusammengehen und Zusammenwirken mehrerer Vereine an verschiedenen Orten zum gleichen Zwecke (…) Dadurch werden die Märzvereine vernichtet. Allerdings wird dieses Verbot auch gutgesinnte Vereine treffen; allein das ausgebreitete Clubwesen ist überhaupt bedenklich; es trägt auch bei guter Gesinnung die Gefahr einer Gegenregierung in sich.
 
So mussten zukünftig Versammlungen, die sich mit „öffentlichen“ Angelegenheiten beschäftigen, bei der Polizei angemeldet werden. Bei Bedrohung der öffentlichen Sicherheit konnten sie verboten werden. Die Polizei hatte Zutritt zu jeder Versammlung und konnte sie, falls zu Gesetzesverletzungen „aufgefordert oder aufgereizt“ wurde, schließen lassen. Ebenso konnten politische Vereine aufgelöst werden, wenn ihre „Zwecke und Beschlüsse den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sie die
 
religiösen, sittlichen, gesellschaftlichen Grundlagen des Staates zu untergraben drohen.
 
In München traf es den noch existierenden „Arbeiterbildungsverein“, den „Wanderunterstützungsverein“ , den Männer-Turnverein und die „Deutschkatholische Gemeinde“ (Vorläufer des Bundes für Geistesfreiheit) - alle diese Organisationen wurden verdächtigt der demokratischen Bewegung nahezustehen.
 
Aber auch das Ende der Zusammenarbeit mit konservativen Vereinen bahnte sich an, die Demokraten waren besiegt, die zuvor noch geschätzten Bündnispartner wurden nicht mehr benötigt. Für Oberbayern konstatierte Innenminister Zwehl am 10. August 1850:
 
die Theilnahme an politischen Vereinen und Versammlungen ist von der Hand als erloschen zu betrachten.
 
Nach dem Scheitern der Revolution folgten zehn Jahre politischer Repression, nicht nur in Bayern, sondern im gesamten Deutschen Bund. Erst der italienische Einigungskrieg von 1859 und der Verfassungskonflikt in Preußen, führten zu einer erneuten Politisierung der Gesellschaft und die Parteiströmungen und Interessenverbänden formierten sich neu.